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Spekulationsbesteuerung in den Jahren 1997 und 1998 ist verfassungswidrigDie Besteuerung von privaten Spekulationsgeschäften in den Jahren 1997 und 1998 ist verfassungswidrig. Diese Entscheidung gab der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts am Dienstag in Karlsruhe bekannt (AZ: 2 BvL 17/02). Die Karlsruher Richter bestätigten damit eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs. Die Konsequenz: Anleger, die in den Jahren 1997 und 1998 Wertpapiere innerhalb von sechs Monaten nach dem Kauf wieder verkauft und die Gewinne über der Freigrenze von 1000 DM ordnungsgemäß versteuert haben, erhalten die Steuerbeträge von ihren Finanzämtern zurück. Dies gilt aber nur, wenn die Einkommensteuerbescheide dieser Jahre noch nicht rechtskräftig sind. Die Entscheidung bezieht sich zwar nicht auf die Regelungen der Folgejahre, dürfte aber eine weitere Verschärfung der Kontrollen mit sich bringen. So hat das Bundesfinanzministerium in einer ersten Reaktion eine Überarbeitung des § 30a der Abgabenordnung (AO/Bankgeheimnis) ins Spiel gebracht. Das Verfassungsgericht wies in seiner Begründung darauf hin, dass die materielle Steuerpflicht des § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b des Einkommensteuergesetzes in der für 1997 und 1998 gültigen Fassung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Die mangelhafte Durchsetzung dieser materiellen Pflicht verstoße jedoch gegen das verfassungsrechtliche Gebot tatsächlich gleicher Steuerbelastung durch gleichen Gesetzesvollzug. Die damalige Praxis der Besteuerung sei deshalb mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar. So verweisen die Richter in ihrer Begründung darauf, dass die einkommensteuerliche Erfassung von Spekulationsgewinnen aus privaten Wertpapiergeschäften vor allem von der Erklärungsbereitschaft des Steuerpflichtigen abhing. Wer für die Jahre 1997 und 1998 seine Steuererklärung in der vorgeschriebenen Form abgegeben und nicht erkennbar widersprüchliche oder unwahrscheinliche Angaben zu Spekulationsgeschäften bei Wertpapieren machte, hatte bei unvollständiger oder wahrheitswidriger Erklärung der Spekulationsgewinne regelmäßig nur ein geringes Entdeckungsrisiko zu tragen. Die Ausgestaltung der Erklärungsvordrucke war nach Ansicht des Zweiten Senats einer gleichheitswidrigen Vollzugssituation förderlich. Ein weiteres Indiz für den mangelnden Gesetzesvollzug ist nach Auffassung der Karlsruher Richter der Umstand, dass für die Jahre 1997 und 1998 auch keine Erkenntnisse über private Wertpapiergeschäfte aufgrund von Sammelauskunftsersuchen der Finanzverwaltung vorliegen. Mitteilungen von Kreditinstituten an das Bundesamt für Finanzen seien für diese Zeiträume ausdrücklich auf die Prüfung der rechtmäßigen Inanspruchnahme des Sparerfreibetrags und des Pauschbetrags für Werbungskosten bei Kapitalerträgen beschränkt gewesen. Sonstige Umstände, die einer Veranlagungsstelle konkreten Anlass zu weiterer Sachverhaltsermittlung geben könnten, sind für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 nicht erkennbar. Auch was die realitätsgerechte Ausgestaltung des Erhebungsverfahrens angeht, ist von einem strukturellen Erhebungsdefizit in den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998 auszugehen, betont das Gericht. Diejenigen, die über die für eine Besteuerung notwendigen Informationen verfügten – gemeint sind die Banken, mussten für diesen Zeitraum nicht die einschlägigen Daten gegenüber den Finanzbehörden allgemein und den Bedürfnissen eines Massenverfahrens entsprechend transparent machen. Eine Jahresbescheinigung über Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne aus Finanzanlagen wird inzwischen insbesondere von Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten unter anderem für nach dem 31. Dezember 2003 abgeschlossene Wertpapierveräußerungsgeschäfte verlangt. Der Befund eines strukturellen Vollzugsdefizits lasse sich jedoch nicht ohne weiteres von einem Erhebungszeitraum auch auf dessen Folgejahre übertragen. Die gesetzliche Lage habe sich mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1999 deutlich gewandelt. So ist der Ausgleich von Spekulationsgewinnen durch entsprechende Spekulationsverluste aufgrund des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 möglich. Außerdem habe ab dem Frühjahr 2000 eine negative Kursentwicklung an den Kapitalmärkten eingesetzt. Angesichts dessen wirken sich selbst fortbestehende normative Defizite möglicherweise nicht mehr in verfassungsrechtlich relevanter Weise aus, schließt der zweite Senat seine Urteilsbegründung | ![]() | |||||||||||||||||||||||