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Erfolgreiche Freiberufler zahlen kräftig drauf

Die Steuerbelastung der Freiberufler wird nach den Plänen der Bundesregierung deutlich steigen. Führende Juristen unterstützen die geplante Gemeindesteuer und sehen zugleich Ansatzpunkte für Verfassungsklagen.


Die neue Gemeindewirtschaftssteuer wird zum Beispiel für einen ledigen Steuerzahler mit einem Gewinn von 200.000 Euro im Jahr zu einer Mehrbelastung von 5346 Euro führen. Das ergibt sich aus Berechnungen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Dabei wurde ein Hebesatz von 490 Prozent für die neue Steuer zu Grunde gelegt. Dies entspricht dem Satz in Frankfurt.


Geringerer Solidarzuschlag


Beträgt der Gewinn nur 30.000 Euro, ist die Mehrbelastung gering, bei 50.000 Euro liegt sie dagegen schon bei 1336 Euro. Leichte Steuersenkungen ergeben sich für Freiberufler in Gemeinden mit niedrigen Hebesätzen. Grund: Die neue Steuer wird bis zu einem Hebesatz von 388 Prozent durch die Verrechnung mit der Einkommensteuer ausgeglichen. Die geringere Belastung ergibt sich dadurch, dass der Solidarzuschlag stets auf die Einkommensteuerschuld erhoben wird. Und diese sinkt durch die Anrechnung der Gemeindewirtschaftssteuer auf die Einkommensteuerschuld.


Neben der zusätzlichen Belastung wird auch darüber diskutiert, ob die neue Steuer verfassungsgemäß ist. Hintergrund: Karlsruhe hat mehrfach geurteilt, dass Freiberufler kein Gewerbe betreiben. Nun sollen Ärzte, Anwälte und Architekten einbezogen werden, doch die Steuer soll nicht mehr Gewerbesteuer heißen. Deshalb behält sich der Bundesverband der Freien Berufe den Gang nach Karlsruhe vor, so Sprecher Stephan Caspary. "Unsere Steuer- und Verfassungsrechtler sehen in der neuen Steuer nur eine Umetikettierung. Das ist nicht haltbar."


Der Steuerrechtler Joachim Lang von der Universität Köln hält den Schritt der Bundesregierung dagegen für verfassungsgemäß und heißt ihn sogar gut: "Die bisherige Gewerbesteuer ist verfassungswidrig, weil nur bestimmte Berufsgruppen für die kommunale Infrastruktur aufkommen müssen." Eine entsprechende Vorlage des Finanzgerichtes Niedersachsen sei am 17. November 1998 von Karlsruhe als unzulässig verworfen worden, obwohl sie gut begründet gewesen sei.


Auch Langs Kollege Wolfgang Schön vom Münchner Max-Planck-Institut für Steuerrecht hält die Karlsruher Entscheidung für nicht nachvollziehbar. "Das Gericht hat lediglich auf eine alte Entscheidung verwiesen. Das war nicht überzeugend." Schön gesteht ebenso wie Lang der Bundesregierung die Freiheit zu, eine neue kommunale Wirtschaftssteuer zu schaffen. Allerdings sei die Rechtfertigung für die Steuer, nämlich die Finanzierung der Infrastruktur, im Falle der Freiberufler noch fragwürdiger.



Juristische Bedenken


Das sieht Heinz-Jürgen Pezzer, Richter am Bundesfinanzhof, genauso: "Dann müssten eigentlich alle Steuerzahler herangezogen werden." Der Arbeitnehmer nutze etwa die Verkehrsinfrastruktur ebenso wie der Zahnarzt mit seiner Praxis. Die Abgrenzung sei enorm schwierig und werde auch in der wissenschaftlichen Literatur als Problem angesehen. Dass Karlsruhe die gesetzliche Unterscheidung zwischen Freiberuflern und Gewerbetreibenden für gerechtfertigt gehalten habe, sei "rein historisch bedingt". Außerdem sei es "schwer zu rechtfertigen, warum künftig der selbstständige Rechtsanwalt die Gemeindewirtschaftssteuer zahlen soll und der angestellte Buchhalter nicht".


Für Schön wird die neue Steuer juristisch angreifbarer, weil die Bundesregierung alle gewinnunabhängigen Elemente aus der Steuerbemessungsgrundlage herausnehmen will. "Das ist zwar wirtschaftspolitisch sinnvoll, aber es stellt sich schon die Frage, was diese Steuer neben der normalen Einkommensteuer noch soll." Die Gewerbesteuer werde zu einer "Sonder-Einkommensteuer für Unternehmer".


Das aber könnte zu Problemen mit dem Gleichheitssatz der Verfassung führen. Auch Richter Pezzer vom Bundesfinanzhof rechnet mit Klagen vor den Gerichten.